PRAETORIUS, Michael (Schulteis),
deutscher Komponist und Musiktheoretiker, * um 1572 Creuzburg/Werra (genaues Geburtsdatum bisher nicht bekannt) † 15. Februar 1621 Wolfenbüttel. Vater und zwei ältere Brüder waren streng lutherische Pfarrer. Nach Schulzeit in Torgau und Zerbst ab 1585 Studium der Theologie und Philosophie an der Universität „Viadrina“ in Frankfurt/Oder. Dort mit etwa 16 Jahren auch Organist der Universitätskirche St.Marien. Verließ Frankfurt 1589 aus unbekannten Gründen, ohne das Studium beendet zu haben. Aufenthalt und Tätigkeit während der Jahre 1589-94 bisher nicht geklärt.
Seit etwa 1594 im Dienst des Herzogs Heinrich Julius zu Braunschweig & Lüneburg, auch Bischof von Halberstadt; zunächst als Kammerorganist, ab 1604 als Hofkapellmeister. Der Überlieferung nach auch „Geheimer Kammersekretär“ der Herzogin Elisabeth.
Im Jahr 1596 Teilnehmer unter 53 Organisten bei den Einweihungsfeierlichkeiten der großen Orgel (59 Register) in Schloss Gröningen bei Halberstadt, dem Sitz des Herzogs neben seiner Wolfenbütteler Residenz.
Bis zu dessen Tod im Jahre 1613 lebte P. vorwiegend in Wolfenbüttel (seit 1612 eigenes großes Haus). 1603 Heirat mit Anna Lakemacher aus Halberstadt; Geburt zweier Söhne: Michael 1604, Ernst 1606. Er unternahm in dieser Zeit wiederholt Reisen, u.a. nach Bückeburg, Kassel, Regensburg und Prag, auch in diplomatischem Auftrag des Herzogs. Zu seinem Bedauern ist er aber nie in Italien gewesen. Enge familiäre Verbindungen des Wolfenbütteler Hofes zum Kurfürstlichen Hof in Dresden führten mehrfach zu Reisen dorthin.
Nach dem Tode des Herzogs Tätigkeit ab 1613 am Kurfürstlichen Hof in Dresden als „Capellmeister von Haus aus“ (er blieb in seiner Wolfenbütteler Bestallung, reiste aber zu festlichen Gelegenheiten nach Dresden zur Aufführung eigener Werke). In gleicher Funktion ab 1616 auch am Erzbischöflich-Magdeburgischen Hof in Halle a.d.Saale.
Komponist und Leiter zahlreicher Festmusiken: 1610 Taufe in Dresden, 1614 Fürstentag in Naumburg, Hochzeit in Wolfenbüttel („Diana Teutonica“), Taufe in Dresden; 1615 Hochzeit in Wolfenbüttel, Hochzeitsmusik in Halle gemeinsam mit Samuel Scheidt, Taufe in Dresden; 1616 Erbhuldigung in Braunschweig, Taufe in Halle; 1617 Introduktion in Halberstadt, Kaiserbesuch in Dresden („Polyhymnia Heroica“, nicht überliefert), Komposition der Festmusik zur Hundertjahrfeier der Reformation in Dresden („Polyhymnia Jubilaea“, nicht überliefert; Aufführung unter Leitung von Heinrich Schütz), Fürsten-Hochzeit in Darmstadt.
Musikalischer Berater an den Fürstenhöfen in Bückeburg, Dresden, Halle a.d.Saale, Rotenburg a.d.Wümme, Sondershausen und am dänischen Königshof in Kopenhagen (1618). Reisen in diesen Jahren von insgesamt etwa 10.000 km.
1618 Neuorganisation der Magdeburger Dommusik gemeinsam mit Samuel Scheidt und Heinrich Schütz (nicht gesichert). 1619 gemeinsam mit Scheidt, Schütz und Johann Staden Einweihung der neuen Fritzsche-Orgel der Bayreuther Stadtkirche, Reisen nach Leipzig, Nürnberg und Bückeburg. Reger Briefwechsel u.a. mit Seth Calvisius, Bekanntschaft mit Johann Hermann Schein.
Häufige Zusammenarbeit mit den Orgelbauern Esaias Compenius (u.a. „Compenius-Orgel“, 1616 verschenkt an König Christian IV. von Dänemark nach Schloss Frederiksborg) und Gottfried Fritzsche (u.a. Orgel in der neuerbauten Kirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel).
Als sein Schüler ist nur bekannt Heinrich Grimm (um 1607 Kapellknabe in der Wolfenbütteler Hofkapelle). Umfangreicher Briefwechsel mit italienischen Druckern und Verlegern in Florenz, Rom und Venedig zur Erlangung von Kompositionen und Schriften italienischer Komponisten.
1619 Legat mit einer Stiftung von 3.000 Mariengulden, verteilt an Städte seiner und seiner Familie Aufenthalte, anzulegen zur Unterstützung von Studenten der Theologie oder von Armen in Creuzburg, Torgau, Treuenbrietzen, Frankfurt/Oder, Dresden, Halle, Zerbst, Halberstadt und Wolfenbüttel (Auszahlung ist nur einmal erfolgt). Tod 1621, beigesetzt unter der Orgelempore der Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel.
Als zentrale Erscheinung der deutschen Musikgeschichte an der Wende vom 16. zum 17.Jahrhundert versuchte P., das musiktheoretische Wissen und die Musikpraxis dieser Zeit darzustellen. Sein Werk ist von besonderer Bedeutung für das musikalische Leben in den Zentren des deutschen Protestantismus. Als Kapellmeister des Herzogs Heinrich Julius zu Braunschweig & Lüneburg schuf er ein breit angelegtes Kapellrepertoire, das den Bedürfnissen seiner Zeit entsprach. Dabei bemühte er sich, neue musikalische Errungenschaften, vornehmlich aus Italien, in eine der Reformation adäquate Sprache umzusetzen.
Der theologische Aspekt seines Schaffens wird besonders deutlich in seinem neunteiligen Werk „Musae Sioniae“ (1605 ff), in dem fast alle Kompositionen nach evangelischen Kirchengesängen oder nach vorreformatorischen cantus firmi gearbeitet sind. In organischer Verbindung werden der imitatorische Stil nach Art der Niederländer, die cantus-firmus-Technik und der Madrigalstil eingesetzt. Dazu kommt als neue Form die „coro-spezzato-Technik“ („geteilter Chor“), eine Musik für unterschiedliche Chor- und Instrumentalgruppen nach venezianischem Vorbild (Gabrieli, Monteverdi). Dabei wird von Praetorius eine lebendige Textausdeutung angestrebt, ein besonderes Anliegen der Reformation.